BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Grüne Engelskirchen

Jetzt freie Fahrt für Spritfresser im Wald?

Das Legalisierungsverfahren für Spritfresser Im Ehreshovener Wald läuft. Nachdem der Kreis im September 2013 den Illegalen Betrieb des Off – Road – Parcours untersagt hat, versucht man jetzt das Geschäft zu legalisieren. Das Projekt läuft nicht mehr unter „Off – Road“, sondern unter „Fahrzeugschulungsstrecke“. Ein Bauleitverfahren wurde in Gang gesetzt. Wenn der Rat einen entsprechenden Flächennutzungs- und Bebauungsplan beschließt, wird das fragliche Gebiet, durch das mehrere Wanderwege verlaufen, 50 Tage im Jahr zum Sperrgebiet.

Nicht Fahrzeugschulungen sind der Hauptzweck der Veranstaltung, sondern die Autoindustrie will hier ihre Fahrzeuge, vor allem die immer neuen SUV – Modelle, präsentieren. Autojournalisten dürfen dann im Wald testen, was in den Wagen steckt, und es sich anschließend im Schloss gut gehen lassen. Wenn dann die Leser und die Zuschauer von Werbespots in aller Welt wissen, warum sie unbedingt ein spezielles Modell erwerben müssen, um ein geiles Gefühl zu bekommen, ist der Zweck erfüllt. Wäre ja auch alles ganz toll, stellten sich nicht Naturschützer, Erholungssuchende und Klimaschützer quer.

Naturschützer wollen nichts weniger als die Lebewesen im Wald vor überflüssiger Belastung schützen, Erholungssuchende möchten frei in ihrer Entscheidung sein, wann sie sich erholen, und Klimaschützer möchten nicht, dass in Ehreshoven ein Verkaufsförderzentrum für spritfressende SUVs entsteht. Es ist nun einmal so, dass der Run auf die verbrauchsintensiven SUVs maßgeblich dazu beigetragen hat, dass es bislang nicht gelungen ist, die Verkehrsemissionen zu senken.

Insbesondere die deutschen Hersteller laufen Gefahr, dass sie das ab 2021 in der EU gültige recht großzügig bemessene Limit von durchschnittlich 95 Gramm CO2 je Kilometer (4,1 Liter Benzin  / 100 km) verfehlen. Das heißt, es werden neuerdings viele verbrauchsärmere Pseudo – SUVs, aber auch Kleinwagen, gebaut, um auf den Durchschnittswert zu kommen. Die Klimaignoranten könnten dann weiterhin ihre PS-starken Spielzeuge genießen – beworben im Verkaufsförderzentrum Ehreshoven.

Die grüne Alternative für die Autoindustrie lautet: Das Auto der Zukunft produziert keine klima- und gesundheitsschädlichen Abgase mehr und ist ein intelligenter Energiespeicher auf Rädern.

Die Mitglieder des Planungs- und Umweltausschusses der Gemeinde Engelskirchen müssen sich am 5. April mit den Einwendungen gegen das Verkaufsförderzentrum der Autoindustrie befassen. Entscheiden sie sich im Sinne der Klimaignoranten oder für Klimaschutz, Naturschutz und für Erholung ohne Sperrgebiet?!

Der NABU – Oberberg hat für den Planungs- und Umweltausschuss eine Stellungnahme verfasst, die sich hier nachlesen lässt.

Für die Sitzung des Landschaftsbeirats am 14. 3. 2016 hatte der NABU einen Beschlussvorschlag eingebracht, über den allerdings noch nicht abgestimmt worden ist; dieser Vorschlag kann hier eingesehen werden.

 

 

 

Ein neues Kapitel in Berlin – Sabine Grützmacher von den oberbergischen Grünen im Deutschen Bundestag

Bereits im August interviewte ich Oberbergs Grünen-Kreissprecherin Sabine Grützmacher (siehe „Mit grünen Ideen aus dem Oberbergischen Kreis direkt nach Berlin“). Mittlerweile ist sie Mitglied des Deutschen Bundestages und ich durfte ihr erneut Fragen stellen:

08.01.22 – von Helga Oprisch, Engelskirchen –

Bereits im August interviewte ich Oberbergs Grünen-Kreissprecherin Sabine Grützmacher
(
Mit grünen Ideen aus dem Oberbergischen Kreis direkt nach Berlin). Mittlerweile ist sie Mitglied des Deutschen Bundestages und ich durfte ihr erneut Fragen stellen:

 

1. Helga: „Erst einmal: Herzlichen Glückwunsch zum Einzug in den Deutschen Bundestag! Kannst du dich für unsere Leser/innen, die dich noch nicht kennen, bitte kurz vorstellen und deinen Werdegang kurz skizzieren?“

Sabine: „Vielen Dank. Seit Oktober 2021 bin ich als Bundestagsabgeordnete tätig. Zuvor war ich unter anderem Geschäftsführerin einer gemeinnützigen Organisation, die zum Paritätischen Wohlfahrtsverband gehört, ich habe auch Frauen beruflich rund um das Thema Erwerbsleben beraten und war als Sozialarbeiterin tätig. Neben Umwelt- und Klimaschutz, einer bürokratiearmen Fördermittelvergabe, regionalen Daseinsvorsorge, transparenten Politik und dem legislativen Fußabdruck interessiert mich auch besonders das Thema digitale Bildung. Letztes Jahr wurde ich als Direktkandidatin auf die grüne Liste auf Platz 25 gewählt und bin über die Liste in den Bundestag gekommen.“

 

2. Helga: „Ich kann mir denken, dass seit der Bundestagswahl für dich nun einiges anders ist. Was hat sich für dich persönlich und beruflich seit dem 26.09.2021 konkret verändert? Hast du dich bereits gut eingelebt?“

Sabine: „Mein ganzes Leben wurde auf den Kopf gestellt. Die eigentliche politische Arbeit ist allerdings noch gar nicht richtig gestartet. Die Ausschüsse haben sich gerade konstituiert und die Aufteilung der einzelnen Themenbereiche erfolgt in den nächsten Wochen. Bisher war die Organisation von Büros zum Beispiel und die Wohnungssuche Themen die mich beschäftigt haben. Mein endgültiges Büro in Berlin steht derzeit noch gar nicht fest, dafür zeichnet sich aber schon ein Büro im Wahlkreis ab. So langsam aber sicher beschäftigt man sich mit Inhalten und den eigenen Schwerpunktaufgaben, die man in den nächsten Jahren betreuen möchte. Aber die Politik ist schon handlungsfähig, zuletzt wurde ja z.B. das Coronaschutzgesetz auf den Weg gebracht.“

 

3. Helga: „Schließt man Bekanntschaften mit anderen Politiker/innen? Wen durftest du schon kennenlernen, den/die unsere Leser/innen ggf. aus den Medien kennen und mit denen du Fotos machen konntest?“

Sabine: „Im Plenarsaal herrscht Foto- und Filmverbot. Bei der Wahl von Olaf Scholz wurde dies aufgehoben, hier habe ich ein Foto mit ihm machen können. Mit Annalena Baerbock oder Robert Habeck habe ich noch keinen Kaffee getrunken, es sind natürlich alle sehr beschäftigt und haben wenig Zeit. Mit Ricarda Lang war ich vor wenigen Wochen aber z.B. beim Frühstück des Deutschen Frauenrates. Gerade sind persönliche Treffen ja auch dadurch erschwert, dass wieder viel auf digital umgestellt wurde. Mit Sven Lehman und Katharina Dröge habe ich aufgrund der räumlichen Nähe gesprochen. Wir können aber auch erfahrene Kollegen anschreiben oder ansprechen, wenn wir Unterstützung benötigen, da herrscht große Offenheit. Mit Anton Hofreiter werde ich in einem Ausschuss sitzen, da er den Europa-Ausschuss leiten wird, darauf freue ich mich besonders.“

 

4. Helga: „Das hört sich spannend an. Wie sieht es denn aus mit Insidern, die einem als Nichtpolitiker/in vielleicht gar nicht bekannt sind?“

Sabine: „Ich habe mich früher im Tunnelsystem des Plenarsaals verlaufen, das ist dort super unübersichtlich, mittlerweile finde ich mich besser zurecht und die Quote, bei der ich mich dort verirrt habe, hat deutlich nachgelassen. Es gibt auch mehrere Gebäude, keine feste Sitzplatzverteilung, auch nicht im Bundestag selbst. Wer bei seinen Herzensthemen weit vorne sitzen möchte, steht also früh auf, um sich einen guten Platz zu sichern, manchmal wird der Platz mit einem Schal quasi belegt, das hat mich schon zum Schmunzeln gebracht. Was mir gar nicht bewusst war, der Bundestag hat einige Kantinen, z.B. eine Käferkantine in Plenarsaalnähe und eine wirklich großartige Bibliothek.

5. Helga: „Verrückt, dass es ein ganzes Tunnelsystem unter dem Bundestag gibt. Als Laie ist es generell super schwierig, sich vorzustellen, wie die Arbeit von Abgeordneten aussieht. Vieles findet hinter verschlossenen Türen statt und einige Politiker/innen scheinen unnahbar. Ich kann mir denken, dass viele Leser/innen daran interessiert sind, wie der tatsächliche Arbeitsalltag aussieht. Wie kann man sich das Leben als Abgeordnete vorstellen und mit welchen Themen beschäftigst du dich in der Fraktion?“

Sabine: „Also wir haben aktuell viele Abstimmungen mit FDP und SPD. Ich fahre oft Montags um 6 Uhr mit dem Zug nach Berlin, um Mittags arbeitsfähig sein zu können. Wir merken als Fraktion schon, dass wir den Montag zur Arbeit eng mit einplanen müssen. Ich habe am Mittwoch zwei Ausschüsse, die muss ich natürlich entsprechend vorbereiten; hier beratschlage ich mich mit Kolleg/innen und es gibt am Montag und Dienstag Arbeitsgruppen, die inhaltlich vorberaten. Donnerstags ist Plenartag, da haben wir Plenarsitzungen, die auch mal in die Nacht hineingehen können. Freitags Nachmittags fahre ich zurück. Unter der Woche haben wir auch Fraktionssitzungen, bei denen alle anwesend sein müsse, in den Sitzungswochen ist somit immer viel zu tun. Ich freue mich schon darauf, dass wir bald einen regelmäßigen Rhythmus haben und ich wieder öfter auch im Wahlkreis Termine wahrnehmen kann.“

 

6. Helga: „Das ist wirklich ein voller Terminkalender. Wieviele Stunden am Tag bist du mit der Politik beschäftigt? Findest du noch Zeit für außerpolitische Aktivitäten - wie das Besuchen von Weihnachtsmärkten letztes Jahr etc.?“

Sabine: „Die Vorbereitung der jeweiligen Ausschüsse nimmt ca. 2 Stunden und die Ausschüsse selbst ca. 3 Stunden in Anspruch. Aber natürlich bereite ich mich auf meine Schwerpunktthemen im Vorfeld mit meinem Team vor, hierzu gehören auch Gespräche mit NGOs, Verbänden, relevanten Akteur/innen.

Generell sind Tage mit 6 bis 7 Terminen keine Seltenheit, das ist sehr eng getaktet und erfordert somit ein effektives Zeitmanagement. Deshalb habe ich jemanden im Büro, der mich organisatorisch unterstützt. Am Wochenende habe ich Termine im Wahlkreis, gerade auch wieder verstärkt digitale Austauschtreffen. Leider habe ich letztes Jahr keine Zeit gefunden, Weihnachtsmärkte zu besuchen, zu Corona war es jetzt sowieso noch schwieriger. Und als eine der Neuen möchte ich natürlich erst einmal fachlich gut eingearbeitet sein, aber natürlich möchte ich auch Berlin ein wenig in 2022 erkunden.“

 

7. Helga: „Puh, das hört dich ganz schön anstrengend an. Was gefällt dir besonders am Abgeordnetenleben und was eher weniger?“

Sabine: „Ja, es ist sehr viel, aber es sind auch so tolle Sachen mit dabei. Ich habe mich zum Beispiel mit „Reportern ohne Grenzen“ ausgetauscht. Diese Austausche und Vernetzungstreffen sind meine persönliche Highlights, da ich ja selber aus dem Bereich der Gemeinnützigkeit komme, ist mir die Vernetzung mit NGO’s sehr wichtig. Auch die Umsetzung der Kindersicherung ist für mich ein besonderes Herzensthema. Was ich weniger mag, ist die Bürokratie im Bundestag. Es sind alle sehr freundlich und bemüht, bis wir aber arbeitsfähig waren und mit Telefon und PC ausgestattet waren, hat es schon ein bisschen gedauert“

 

8. Helga: „Stichpunkt Bürokratie: Du hattest auch erwähnt, dass du organisatorisch unterstützt wirst. Hat jede/r Abgeordnete/r sein/ihr eigenes Büro mit Assistenz und eigenen Mitarbeitenden, die entlasten und Arbeit abnehmen können?“

Sabine: „Ja, Abgeordneten steht eine Personalpauschale zur Verfügung, deren Höhe auch auf der Seite des Bundestages nachgelesen werden kann, sie liegt bei ca. 20.000€ im Monat zur Einstellung von Mitarbeiter/innen, vor allem für den wissenschaftlichen Arbeitsbereich. Gerade hoffen wir, dass unsere thematischen Fachbereiche auch räumlich zusammengelegt werden bei der Vergabe der endgültigen Büroräume, bislang arbeiten wir alle aber auch coronabedingt noch viel im Home Office.

Da ich zwei Vollausschüsse besetze (Finanzen und Europa) sowie zwei Stellvertretungen (Arbeit und Soziales sowie Digitalisierung) übernommen habe, unterstützt mich jeweils ein/e wissenschaftliche/r Mitarbeiter/in pro Ausschuss, hinzu kommt eine Sachbearbeitung in Berlin, eine Büroleitung, die auch für Presseanfragen usw. zuständig ist und zwei Teilzeitstellen im Wahlkreis. Als Abgeordnete können wir aber z.B. auch einen stärkeren Schwerpunkt auf Social Media legen und hierfür Referent/innen einstellen. Wir schließen zwar Arbeitsverträge ab, die an unser Mandat gekoppelt sind, die Bezahlung und Abwicklung erfolgt aber über den Bundestag.

 

9. Helga: „Wie sieht dein Leben in der Hauptstadt Berlin aus? Ich persönlich bin ein unheimlich großer Fan der Stadt. Konntest du schon Berlin erkunden und gefällt es dir dort? Wohnst du dort bzw. pendelst du zwischen Berlin und Gummersbach?“

Sabine: „Ich lebe aktuell zwischen zwei Welten. Aufgrund der neuen Coronagesetzgebung und der Koalitionsverhandlungen mussten wir natürlich erst einmal viel vor Ort in Berlin sein, ich war teilweise 3 Wochen am Stück in der Hauptstadt. Natürlich hoffe ich auf etwas mehr Sitzungsroutine in 2022 und habe nun auch eine kleine 36m2 Wohnung in Charlottenburg, weil das Leben aus dem Koffer nach einigen Wochen im Hotel wirklich eher anstrengend war. Oberberg bleibt mein Lebensmittelpunkt, mein Mann und ich haben uns hier gerade einer Baugruppe in Gummersbach angeschlossen und ich bin ja auch Oberbergerin. Aber trotzdem möchte ich mich auch in Berlin zu den Sitzungswochen ein bisschen zuhause fühlen und die eigene Wohnung ist da schon ein Pluspunkt.

 

10. Helga: „Welchen Ausschüssen gehörst du an und inwieweit darfst bzw. durftest du das eigenständig mitbestimmen? Falls es nicht feststeht, hast du ggf. Wunschbereiche?“

Sabine: „Ich hatte tatsächlich mehrere Wunschthemen. Ich bin jetzt in zwei Ausschüssen als sogenanntes Vollmitglied, im Finanzausschuss und im Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union. Hier gibt es dann noch einmal eine große Themenliste, die unter uns Grünen auch für die Fraktion aufgeteilt werden, ich bin im Bereich der Finanzregulierung an der Schnittstelle zu Digitalthemen für Themen wie FinTechs, Kryptowährung, Blockchain-Technologie im Finanzwesen zuständig, aber auch für Überarbeitung des Gemeinnützigkeitsrechts. Hier bin ich gerade dabei, mich tiefergehend einzuarbeiten.

Im Europaausschuss bin ich aufgrund der Vorerfahrung aus meinem Beruf als Fördermittelreferentin vor allem für Finanzthemen, europäische Förderprogramme, aber auch den Bereich „soziales Europa“ zuständig. Themen sind hier z.B. ein europäischer Mindestlohn, aber auch ein weiteres Herzensthema von mir, die Bekämpfung von Wohnungslosigkeit bis 2030. Stellvertretend bin ich außerdem noch im Ausschuss „Arbeit und Soziales“ und im „Digitalausschuss.“

 

11. Helga: „Wie hängen AGs und Ausschüsse zusammen?“

Sabine: „In den Ausschüssen treffen sich die Ausschussvertreter/innen aller Parteien. Wir müssen aber innerhalb der Fraktion natürlich Vorberatungen treffen, da das nicht immer mit der gesamten Fraktion möglich ist, treffen wir uns in thematischen Arbeitsgruppen, um unsere aktuellen Tagesordnungspunkte für die Ausschusssitzungen vorzubereiten, aber auch um langfristig über z.B. Positionen unterschiedlicher Themen zu beraten. Neben den Arbeitsgruppen gibt es noch Fachbereiche, die sind quasi eine thematische Klammer, die mehrere Arbeitsgruppen zusammenfassen. Die Ausschüsse an sich sind schon recht groß, teilweise zwischen 30-45 Personen.“

 

12. Helga: „Was war deine erste Reaktion, als du zum ersten Mal den Koalitionsvertrag gelesen hast? Man könnte meinen, dass viele Forderungen der anderen beiden Parteien kompromisslos in den Koalitionsvertrag mitaufgenommen wurden. Bist du insgesamt zufrieden damit und an welchen Stellen eher weniger? Welche Klauseln im Koalitionsvertrag sind für dich von besonderer Bedeutung?“

Sabine: „Dass das Bürgergeld kommt und wir ein Sanktionsmoratorium haben werden, ist erst einmal positiv. So wie es im Koalitionsvertrag steht, finde ich es aber unzureichend und diese Meinung teile ich mit einigen meiner Fraktionskolleg/innen gerade aus der Sozialpolitik. Wir müssen insgesamt über Erhöhungen sprechen und werden hierfür auch in der Koalition weiter werben und Gespräche suchen.

Das Moratorium bedeutet ja auch das Aussetzen von Sanktionen, die z.B. zum Wohnungsverlust führen können. Dieses temporäre Aussetzen muss aber meiner Ansicht nach in eine generelle Sanktionsfreiheit münden, zu oft verlieren Menschen aufgrund von Sanktionen und Leistungskürzungen ihre Wohnungen.

Ein ganz anderes Thema ist die Quellentelekommunikationsüberwachung. Hier dürfen keine Sicherheitslücken extra offen gehalten und genutzt werden, um Bürger/innen zu überwachen und unter Generalverdacht zu stellen, hierfür gibt es auch laut Studienlage überhaupt keine Vorteile bezüglich einer höheren Aufklärungsrate im Straftatbereich. Zum Glück werden wir hier gegensteuern und diese digitalpolitisch falsche Entscheidung in die nun richtigen Bahnen bringen. Die Abschaffung des §219 hat mich sehr gefreut, das war längst überfällig, denn ein Informieren ist wirklich keine Werbung und muss möglich sein. Auch das Transparenzregister für bessere Regeln zum Lobbyismus bringt uns nach vorne.“

 

13. Helga: „Gerne möchte ich einzelne Themen aus dem Vertrag aufgreifen. Im August sprachen wir unter anderem darüber, dass dir auch besonders der Umwelt- und Klimaschutz sowie der Kohleausstieg bis 2030 und ein massiver Ausbau von erneuerbaren Energien wichtig seien. Inwieweit findest du dich mit deinen Forderungen im Koalitionsvertrag wieder?“

Sabine: „Ich halte es für absolut richtig, Solaranlagen bei Neubauvorhaben grundsätzlich als Standard zu setzen, wenn die Dachflächen geeignet sind. Wir benötigen Beschleunigungsverfahren bezüglich Windkraftanlagen. Da bin ich froh, dass Bewegung reinkommt, Steine fangen an zu rollen. Idealerweise soll das mit Bürgerbeteiligungen passieren, denn dann steigt die Akzeptanz, ich bin auch ein großer Freund von Genossenschaften und insbesondere von Energiegenossenschaften. Es gibt ja sogar Modellprojekte, in denen Windräder kommunal genutzt werden, um die Grundsteuer zu senken, wenn das keine Motivation schafft, was dann? Deutschland hat Strahlkraft, wir sind technologischer Vorreiter und sollten dies nutzen, davon profitiert übrigens nicht nur das Klima und mit ihm nachfolgende Generationen, sondern auch die Wirtschaft. Dazu gehört aber auch: Atomenergie kann nicht als grün gelabelt werden. In den Bereichen erneuerbare Energie ist noch Luft nach oben und wir werden hier einen Turbo zünden müssen.“

 

14. Helga: „Wir sprachen im letzten Interview auch über ein anderes Herzensthema von dir: „Soziales Wohnen“. Es sollen -laut Koalitionsvertrag- unter anderem 100.000 Sozialwohnungen pro Jahr neu gebaut werden. Wie zufrieden bist du mit diesem Passus?“

„Ich bin froh, dass 100.000 im Vertrag stehen, allerdings befürchte ich dadurch eher eine Entlastung in den großen Städten. Das gönne ich den Städten natürlich, aber diese Zahl reicht noch nicht für eine spürbare Entlastung im ländlichen Raum, aber auch hier steigen die Mietpreise. Ich finde die Idee der neuen Wohngemeinnützigkeit gut und denke, wir brauchen einen Instrumentenmix und müssen auch dafür sorgen, dass Sozialwohnungen ggf. zurückgekauft werden oder das Halten von Sozialwohnungen für kleinere Investoren auch wieder attraktiv gemacht wird, da sonst die Wohnungen einfach irgendwann aus der Sozialbindung fallen, verkauft werden und weniger Sozialwohnungen nachkommen. Auch Ideen wie Wohngenossenschaften oder Konzeptvergaben werden wir stärker nutzen müssen.“

 

15. Helga: „Die Grünen stellen sechs der Ministerien, unter anderem das Ministerium für Wirtschaft und Klimaschutz. Wie stehst du der geplanten Aufteilung der Ministerien gegenüber? Bist du zufrieden oder hast du dir ggf. eine andere Aufteilung erhofft?“

Sabine: „Natürlich haben wir uns gewünscht, den Verkehrsminister zu stellen. Gerade für Abgeordnete aus NRW ist Verkehr ein wichtiges Thema und ich hätte mir das Ressort absolut in grüner Hand gewünscht. Ich bin aber insgesamt trotzdem zufrieden, da ich große Potentiale für die dringend benötigte Modernisierungswelle sehe und auch das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz wird hier eine Schlüsselrolle bekommen. Für mich als Fan von Sven Giegold ist es außerdem das „Sahnehäubchen“, dass er Staatssekretär im Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz geworden ist.“

 

16. Helga: „Die Leser/innen interessieren sich auch für Themen, die ihre Heimat direkt betreffen. Hast du das Gefühl, als Bundestagsabgeordnete auch regional etwas für den Oberbergischen Kreis bewirken oder verändern zu können?“

Sabine: „Im Finanzausschuss und Europaausschuss werden wir Themen behandeln, die natürlich auch Oberberg betreffen. Insgesamt ist die Berücksichtigung ländlicher Räume wichtig, wir sind aber auch ein wichtiger Industriestandort und auch wenn ich nicht die direkt gewählte Kandidatin bin, sehe ich mich in der Pflicht, hier auch für Unternehmen Ansprechpartnerin zu sein. Besonders freue ich mich natürlich, dass nachhaltig orientierte Unternehmen schon teilweise den ersten Austausch gesucht haben. Außerdem werden wir zeitnah ein Wahlkreisbüro ins Leben rufen und dort relativ regelmäßig Sprechstunden für interessierte Bürger/innen anbieten. Ich komme aus dem Stadtrat Gummersbach und habe kommunalpolitische Themen ja nicht vergessen, nur weil ich jetzt im Bundestag sitze. Mir ist auch parteiübergreifend ein Austausch mit allen demokratischen Parteien wichtig. Auch für Oberberg und unsere Kommunen vor Ort ist die Entlastung ein großes Thema, das auch ich weiter verfolge.“

 

17. Helga: „Wie funktioniert hier politisch der Spagat zwischen deinen Tätigkeiten in Berlin und bei den Grünen Oberberg?“

Sabine: „Ich habe mir die Kreisversammlungen freigehalten. Marc Zimmermann ist ja ebenfalls Kreissprecher und übernimmt gerade mehr Abstimmungen vor Ort. Die Grünen und auch ich sind keine großen Freunde sogenannter Mandatshäufung, deswegen habe ich meine Mandate im Kreistag und im Stadtrat aufgegeben, vor allem beim Stadtrat Gummersbach, dem ich mehrere Jahre angehört habe, habe ich das mit einem weinenden Auge getan. Die Entscheidung war aber richtig, um Platz für engagierte Kommunalpolitiker/innen vor Ort zu machen. Ich möchte aber aktiv bleiben und versuche an unseren Gummersbacher Sitzungen und an den Kreisausschuss-Sitzungen teilzunehmen. Und wenn wir gemeinsame neue Räumlichkeiten mit der Kreisgeschäftsstelle und der Fraktion haben, ergibt sich der Austausch schon alleine durch die räumliche Nähe, darauf freue ich mich und kann auch nur die Bürger/innen einladen, nach der Eröffnung (wahrscheinlich im Frühsommer) gerne auch auf einen Kaffee oder zum Gespräch vorbeizuschauen.“

 

 

18. Helga: „Mit Blick in die Zukunft, was steht politisch in den nächsten Wochen für dich an?“

Sabine: „In den nächsten Wochen stehen Klausurtagungen an, im Januar gibt es einzelne Themen in den Klausurtagungen und wir legen fest, wie wir in den Ausschüssen arbeiten. Wer arbeitet an welchen Themen, im Europaausschuss beispielsweise? Welche Strukturen wollen wir? Es gibt ein allgemeines Kennenlernen und einen Strukturaufbau. Das Team muss sich erst finden. Hier müssen wir klären, welche Mitarbeiter/innen welche Ausschüsse betreuen, wer Post aus dem Wahlkreis beantwortet, wann die erste Reise in den Bundestag geplant und angeboten werden kann usw. Für mich steht vor allem an, Routine in der alltäglichen Sitzungsarbeit zu gewinnen und mich parallel in den Themenfeldern vertieft einzuarbeiten, die auch für mich neu hinzugekommen sind. Natürlich stehen auch in den nächsten Monaten Gesetzgebungsverfahren an und für mich persönlich ein Punkt, der besonders spannend werden wird: die erste Rede im Bundestag.“

 

19. Helga: „Im August sprachen wir auch über deine persönlichen und beruflichen Ziele. Du sagtest, dass dir eine aktive Mitgestaltung bei Themen, wie unter anderem bezahlbarer Wohnraum, Klimaschutz, Netzpolitik und transparentes Lobbyregister wichtig seien. Welche (politischen) Wünsche hast du zukünftig?“

Sabine: „Ich wünsche mir, bei dem Thema „Kindergrundsicherung“ mitzuarbeiten und am Ziel Wohnungslosigkeit bis 2030 abzuschaffen, mitzuwirken. Auch im Koalitionsvertrag steht, dass wir einen nationalen Aktionsplan zur Bekämpfung von Wohnungslosigkeit erarbeiten werden. Über meinen Themenbereich „Soziales Europa“ werde ich mich hoffentlich auch hierzu einbringen können.

 

Helga: „Vielen Dank für das sehr interessante Interview. Ich wünsche dir viel Erfolg in Berlin und dass sich deine politischen Wünsche umsetzen lassen.“

Links & Termine

23.06.2022, 19:00 Uhr

 

Ortsversammlung der Grünen
in Engelskirchen

 Präsenz- oder
 Online-Veranstaltung
(Details siehe hier)

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